In meinem letzten Blogartikel ging es darum, warum die Welt in Organisationen komplexer wird und was das für sie als Führungskraft bedeutet. Ich habe darüber geschrieben, warum es ein neues Führungsverständnis braucht. In diesem Blogartikel verrate ich ihnen meine 7 Praxistipps, um erfolgreich in komplexen Situationen zu Führen:
Tipp 1: Machen Sie Ihre Erwartungen klar
Die Unternehmensstrategie ist schwammig oder wird mal wieder überarbeitet? Der Vorstand äußert seine Erwartungen an die Mitarbeiter nicht? Dann tun sie es! Sagen sie ihren Mitarbeitern klipp und kar, was sie von Ihnen erwarten. Und zwar nicht vage und im übergeordneten Sinne, sondern ganz klar auf der Verhaltensebene. Mitarbeiter verbringen viel Zeit damit, herauszufinden was der eigene Chef von Ihnen erwartet. Das kennen sie sicher auch: sie haben einen neuen Chef und versuchen herauszufinden, wie er tickt und was ihm wichtig ist. Sie versuchen ihn zu „lesen“. Warum machen wir es unseren Mitarbeitern nicht einfacher und sagen es Ihnen direkt? Ich glaube viele Chefs wissen selber nicht, was sie von ihren Leuten erwarten. Überlegen sie sich also genau, ihnen in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern wichtig ist? Machen Sie ein Brainstorming und schreiben alle Ihre Erwartungen auf. Dann suchen sie die 3-4 für sie wichtigsten heraus und kommunizieren sie diese an Ihre Mitarbeiter. Damit haben sie einen weiteren Schritt in Richtung mehr Sicherheit, Transparenz und vor allem Vertrauen für ihre Mitarbeiter geschaffen.
Tipp 2: Kommunizieren, Kommunizieren, Kommunizieren
Kommunikation ist das A und O in unsicheren und komplexen Zeiten. Kommunizieren sie mit Ihren Mitarbeitern. Auch wenn die neue Struktur noch nicht veröffentlicht ist, sie diese nicht kennen oder noch nicht darüber sprechen dürfen: sprechen sie mit Ihren Leuten. Regelmäßig, täglich. Schaffen sie Transparenz. Sagen sie ihnen, dass sie momentan die gewünschte Information noch nicht haben, sie nicht darüber sprechen dürfen. Dass sie aber informieren werden, sobald es möglich ist. Dass sie sich für Ihre Leute einsetzen und alles in Ihrer Macht mögliche tun werden, um ihre Interessen durchzusetzen. An dieser Stelle gilt, lieber zuviel persönliche Kommunikation als zu wenig. Schütten Sie Ihre Mitarbeiter damit zu.
Tipp 3: Leben Sie Ihre Werte
Wenn ich mich an den Fakten, Informationen nicht mehr orientieren kann, woran dann? An Werten.
Mitarbeiter erwarten von ihren Chefs, dass sie für etwas stehen. Sie wollen kein „Fähnchen im Wind“. Das sie für Werte stehen, die sie in ihrem Verhalten wiedererkennen und vorleben. Ziele und Pläne sind unsicher, können sich kurzfristig ändern. Aber an den Werten der eigenen Führungskraft können sich Mitarbeiter orientieren. Werte machen das Führungsverhalten berechenbarer, vorhersehbarer. Mitarbeiter wissen, woran sie sind. Viele Informationen sind mehrdeutig, können Positives sowie auch Negatives für das Team bedeuten. Gelebte Werte helfen dem Team bei der Interpretation dieser Informationen.
Tipp 4: Schaffen Sie Bindung und Vertrauen
Gerade in unsicheren Zeiten ist das Gefühl der Bindung zum eigenen Team und zur eigenen Führungskraft enorm wichtig. Und diese Bindung und das dazugehörige Vertrauen können wir nur durch persönliche Begegnung schaffen. Auch wenn Ihr Team auf dem gesamten Globus verstreut arbeitet, in verschiedenen Zeitzonen oder aus dem Homeoffice und die meiste Zeit online kommuniziert. Keine noch so ausgefeilte Technik ersetzt das persönliche Gespräch, das eigenen Team und den Chef persönlich zu erleben. Mimik, Gestik, Körpersprache und gemeinsame Erlebnisse schafft Bindung. Und das kann durch kein Tool ersetzt werden.
Tipp 5: Geben Sie Feedback
Menschen brauchen Feedback um sich zu orientieren. Gerade in komplexen und unsicheren Zeiten braucht es Feedback um Sicherheit und Orientierung zu geben. Warum ist Feedback so wichtig? Wir können das schon bei Kleinkindern beobachten. Sie tun alles, um Feedback und Resonanz von ihren Eltern zu erhalten. Sie brauchen das Gefühl, gesehen zu werden, um ihr eigenes Selbstbild zu entwickeln. Dabei ist es ihnen egal, ob dieses Feedback positiv oder negativ ist. Erhält ein Kind keine Resonanz, wird es sich schnell etwas einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen. Da wird dann mit der Rassel so lange gegen den Tisch gehauen, bis das Kind Feedback von den Eltern erhält. Bin ich als Mitarbeiter unsicher, ob ich die meine Ziele erreiche, ob die Ziele überhaupt in drei Monaten noch Bestand haben, ob mein Projekt weitergeführt wird, gibt mir das Feedback zu meinem Verhalten und meiner Leistung, Orientierung. Feedback gibt mir Sicherheit, ob ich denn auch richtig unterwegs bin. Seien Sie also gerade in komplexen Situationen nicht sparsam mit Feedback gegenüber Ihren Mitarbeitern.
Tipp 6: Machen Sie Sich überflüssig
Die steigende Komplexität führt dazu, dass Führungskräfte immer weniger direkten Zugriff zu ihren Mitarbeitern haben, gleichzeitig sind Handlungskompetenzen und Spezialwissen mehr und mehr auf das gesamte Team verteilt. Als Chef bin ich also darauf angewiesen, dass meine Mitarbeiter in der Lage und auch bereit dazu sind, eigene Entscheidungen zu treffen und diese verantwortungsbewusst umzusetzen. Das Team muss bis zu einem bestimmten Grad in der Lage sein, sich selbst zu führen und auch zu kontrollieren. Dazu gehört auch, Konflikte im Team zu lösen ohne das gleich der Chef eingreifen muss. Das ist wie bei Kindern: wenn Geschwister streiten soll man als Eltern erst eingreifen, wenn Blut fließt. Vorher muss man ihnen die Möglichkeit geben, den Konflikt selber zu lösen. Versuchen Sie, soviele Managementaufgaben wie möglich an Ihr Team zu abzugeben, so dass es in der Lage ist, sich selbst zu organisieren.
„Streit wegen der Urlaubsplanung? – Ihr habt eine Woche Zeit das Problem zu lösen und dann macht Ihr mir einen Vorschlag“
„Probleme wegen der Frage wer nach dem Umzug mit wem zusammensitzt? – In 5 Tagen möchte ich von Euch einen Vorschlag zur Raumplanung“
Ich hatte mal einen Chef der hat zu mir gesagt „Ich habe meinen Job gut gemacht, wenn ich im Büro sitzen kann, die Füße auf den Tisch legen kann und um mich herum läuft alles wie geschmiert!“
Sich als Chef soweit wie möglich überflüssig machen, heißt die Devise.
Tipp 7: Setzen Sie Leitplanken
Sich als Chef überflüssig machen? Funktioniert das wirklich? Ein Team komplett ohne Führung? Meiner Meinung nach funktioniert das nicht. Unser Unternehmen wäre eine Anhäufung von Menschen, ein System in dem jeder machen kann was er will. Ein Team braucht immer Leitplanken und Rahmenbedingen. Der Chef muss ja durchaus nicht immer die gleiche Person sein. Die Rolle der Führungskraft kann je nach Thema oder Projekt wechseln. Die Leitplanken dienen dem Team zur Orientierung und geben Sicherheit. Innerhalb dieser Leitplanken darf sich das Team frei bewegen, Entscheidungen treffen, Ressourcen planen. Die Leitplanken müssen aber allen klar sein und transparent kommuniziert sein. Gleichzeitig sind Sie als Führungskraft verantwortlich dafür, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Ihr Team soll eine neue Aufgabe, ein neues Projekt umsetzen, aber die nötigen Ressourcen, Zeit, Geld, Manpower wird nicht zur Verfügung gestellt. Organisationen sind so gestrickt, dass sie immer wieder „Magie“ von ihren Mitarbeitern erwarten. Oft funktioniert das auch. Wenn Sie als Chef aber feststellen, dass Ihr Team nicht arbeitsfähig ist, weil es nicht die nötigen Ressourcen zur Verfügung hat. Dann sind Sie verantwortlich dafür, diese Ressourcen zu beschaffen und sich dafür einzusetzen. Und sich auch klar vor das Team zu stellen, wenn Rahmenbedingungen nicht zur Verfügung stehen. Und klar zu kommunizieren, dass Sie und Ihr Team unter diesen Umständen nicht in der Lage sind, die geforderten Ziele zu erreichen.
Fehler in der Führung werden heute schneller sichtbar
Das sind meine 7 Tipps zum Führen in komplexen Situationen. Sind diese Tipps jetzt neu? Nein, sind Sie nicht. Es sind die Führungsprinzipen, die schon immer wichtig waren. Es wird viel über neue Führung und Führungsprinzipien im Wandel in der heutigen Zeit gesprochen. Meiner Meinung haben sich die Erfolgsfaktoren von Führung nicht geändert. Durch steigende Komplexität und Unsicherheit werden diese Führungsprinzipien nur noch wichtiger und bedeutsamer, als sie je waren. Führungsfehler werden heute viel schneller transparent und bleiben nicht folgenlos.
Ein Team, das nicht arbeiten kann, weil der Chef es durch seinen Kontrollzwang klein hält? Oder der Chef, der durch Silodenken die Kommunikation mit anderen Teams verhindert? Der Konflikten aus dem Weg geht? Durch solche Führungsschwächen sinkt die Leistungsfähigkeit und Motivation des Teams. Ein solches Team ist geschwächt und nicht in der Lage, den heutigen Anforderungen in einer komplexer werdenden Welt gewachsen zu sein.